Demenz-Früherkennung: Neuer Bluttest gibt Auskunft über Alzheimer noch vor ersten Symptomen

Bei einer Demenz geht die Leistungsfähigkeit des Gehirns verloren. Doch der Prozess beginnt schleichend. Die genauen Symptome hängen von der jeweiligen Krankheit ab. Etwa zwei Drittel der Betroffenen in Deutschland leiden an Alzheimer, dem damit häufigsten Typus von Demenzerkrankungen. Eine neue internationale Studie könnte nun die Früherkennung – noch vor dem Auftreten erster Symptome – revolutionieren.

Alzheimer – wenn sich „Honig“ im Kopf festsetzt

In Deutschland leiden derzeit 1,7 Millionen Menschen an Demenz, die meisten davon sind über 85 Jahre alt. Mit einer kopfstehenden Alterspyramide – es gibt immer mehr alte Menschen – wird die Zahl der Betroffenen weiter steigen. 2050, so die Deutsche Alzheimer Gesellschaft, könnte sie auf drei Millionen anwachsen.

Erste Anzeichen für Alzheimer sind Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis. Die Schlüssel werden verlegt, selbst für kleine Besorgungen wird ein Einkaufszettel benötigt und es fällt Betroffenen zunehmend schwer sich zu konzentrieren. Mit Fortschreiten der Krankheit kommen häufig Orientierungsprobleme hinzu, bis schließlich auch das Langzeitgedächtnis nachlässt und sogar Familienmitglieder nicht mehr erkannt werden.

Bei der nach Alois Alzheimer benannten Krankheit kommt es zur Beschädigung der Nervenzellen. Alzheimer wird daher zu den neurodegenerativen Krankheiten gezählt. Bereits Jahre vor dem Auftreten klinischer Symptome bilden sich im Hirn sogenannte Plaques – Ablagerungen, die die Funktion der Nervenzellen einschränken und sie schließlich bis zur Unfähigkeit behindern. Die genauen Ursachen für die Krankheit liegen im Dunkeln. Zum Teil ist die Krankheit erblich bedingt. Ob das krankheitsauslösende Gen vorhanden ist, lässt sich mittels Gentest feststellen. Doch die Paisa-Mutation, wie der Gendefekt genannt wird, gibt lediglich Auskunft darüber, dass die Krankheit auftreten kann, aber nicht muss. Erst mit dem Auftreten erster Beschwerden wie Gedächtnisschwund kann nach derzeitigem Stand eine Diagnose gestellt werden.

Früherkennung mittels Bluttest

Als für die Zukunft vielversprechend erweist sich ein neu entwickelter Test, der im Fachjournal „Nature Medicine“ kürzlich vorgestellt worden ist. Die dazugehörige Studie bezieht sich auf Daten von 405 Probanden, die an der Untersuchung des Dominantly Inherited Alzheimer Network (DIAN) teilgenommen haben. Im Rahmen der Studie sind Personen von Familien untersucht worden, bei denen Alzheimer bereits im mittleren Alter aufgetreten ist. Als „Frühwarnsystem“ sind Eiweiße herangezogen worden, die als Abbauprodukt an den funktionsgestörten Nervenzellen entstehen.

In der Vergangenheit haben sich derlei Proteine nicht als Biomarker bewährt, da sie vom Körper rasch verstoffwechselt werden. Anders die Proteine, die als Neurofilament-Leichtketten bekannt sind. Sie sind im Blut und in der Rückenmarksflüssigkeit nachweisbar. Veränderungen in der Blutkonzentration deuten auf eine neurodegenerative Krankheit wie Alzheimer hin.

Dabei geht es im Frühstadium nicht um den absoluten Wert (ob er erhöht ist oder nicht), sondern um individuelle Veränderungen. Vor allem für Risikogruppen wie Menschen mit Alzheimer in der Familie könnten die Neurofilament-Leichtketten als Biomarker Anwendung finden, um die Krankheit frühzeitig zu erkennen. Und mehr noch: Auch der Verlauf der Krankheit lässt sich anhand dieser Proteine vorhersagen, so die Studienautoren und -autorinnen, denn mit Fortschreiten der Krankheit spielt der absolute Wert durchaus eine Rolle. Wie hoch er ist, lässt Rückschlüsse auf mögliche Beschwerden zu.

Bis zu 16 Jahre vor dem Auftreten spürbarer Symptome lässt sich Alzheimer mit dieser Methode vorhersagen. Das geht aus der Studie hervor. Dennoch ist der Bluttest bislang kein zugelassenes Diagnose-Tool.

Neuer Test nicht zur Diagnose zugelassen

Der Neurofilament-Leichtketten-Bluttest muss weiter erforscht werden, bevor er als Instrument zur Alzheimer-Diagnose herangezogen werden kann. Ein Grund hierfür sind andere Krankheiten, bei denen Veränderungen der Neurofilament-Leichtketten-Konzentration eine Rolle spielen, wie zum Beispiel Multiple Sklerose. Der Test ist also nicht eindeutig.

Hinzu kommt der Fakt: Alzheimer ist bisher nicht heilbar. Dazu werden die Ursachen der Krankheit noch nicht gut genug verstanden. „Dass es noch keine wirksame Therapie gegen Alzheimer gibt, hängt vermutlich damit zusammen, dass die bisherigen Therapien viel zu spät einsetzen“, so Mathias Jucker vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) als Hauptautor der Studie gegenüber Spiegel Online. Eine bessere Früherkennung, so die Hoffnung, könnte nicht nur die Diagnose, sondern in Zukunft auch die Therapie verbessern.