Plasmalogen hilft gegen Alzheimer

Haben Sie einen erhöhten Cholesterinspiegel? Dann wissen Sie, dass Sie Innereien, Eier und Meeresfrüchte nur in Maßen genießen sollten. Gerade Meeresfrüchte enthalten jedoch außer Cholesterin einige andere fettähnliche Substanzen (Lipide), die der Gesundheit durchaus zuträglich sind. Eines davon, Plasmalogen wird nach einigen aktuellen Studien verstärkt als neues natürliches Medikament zur Therapie bei Alzheimer diskutiert.

Neue Substanzen zur Behandlung von Alzheimer

Alzheimer behandelt man zur Zeit mit Antidementiva, die zur Gruppe der Acetylcholinesterase-Hemmer gehören. Wirkstoffe wie Donezepil sorgen dafür, dass der Botenstoff Acetylcholin nicht so schnell abgebaut wird und länger Informationen zwischen Nervenzellen übertragen kann. Diese Medikamente verzögern jedoch lediglich den Krankheitsverlauf.

Neuere Forschungen machen Hoffnung, dass sich das Fortschreiten der Erkrankung durch ungewöhnliche Naturstoffe erfolgreicher und mit weniger Chemie verhindern lässt. Dazu gehören Ginkgo, der gelbe Farbstoff Fisetin aus Erdbeeren oder Cannabinoide aus dem Hanf. Ebenfalls natürlichen Ursprunges sind die Plasmalogene, die man vor allem aus der Jakobsmuschel gewinnt.

Was ist Plasmalogen?

Plasmalogene sind fettähnliche Substanzen, die in vielen Geweben vorkommen, etwa im Blutplasma, vor allem aber im Nervensystem. Dort machen sie rund ein Zehntel der sogenannten Phospholipide aus. Den größten Teil davon findet man in den Myelinscheiden der Nervenzellen. Diese agieren als Isolationsschicht und sorgen dafür, dass es bei der Reizleitung nicht zu Kurzschlüssen kommt.

Die Produktion von Plasmalogen findet in den Peroxisomen statt. Das sind Zellorganellen, kleine funktionelle Einheiten innerhalb der Zelle, die vor allem der Beseitigung freier Radikale dienen. Auch die Plasmalogene selbst sind in der Lage, Nervenzellen vor einer Schädigung durch freie Radikale zu schützen. Sie fangen diese rechtzeitig ab, bevor sie andernorts Schaden anrichten. Eine solche Wirkung bezeichnet man als neuroprotektiv.

Ab dem dreißigsten Lebensjahr nimmt die Menge von Plasmalogenen im Körper ab. Das liegt daran, dass die Peroxisomen im Alter zusehends schlechter funktionieren. Dadurch bilden sie weniger Plasmalogene und können die bereits in den Zellmembranen eingebauten Plasmalogenmoleküle nicht mehr so gut vor freien Radikalen schützen. Dadurch verändern sich langfristig die Zellmembranen, in denen die Plasmalogene sitzen.

Plasmalogen und Demenz

Forschungen haben bereits mehrfach gezeigt, dass der Plasmalogengehalt im Gehirn und Blut von Alzheimer-Patienten wesentlich niedriger ist als in ihrer Altersstufe zu erwarten wäre. Diese Reduktion des Plasmalogenspiegels fällt zeitlich mit ersten kognitiven Einschränkungen zusammen. Man geht davon aus, dass ein solcher Mangel an Plasmalogen die Zellmembranen von Nervenzellen und Myelinscheiden wie beschrieben schwächt. Das führt zu einer schlechteren Signalübertragung an den Synapsen zwischen den Nervenzellen und begünstigt innerhalb der Zellen die Ablagerung des für Alzheimer typischen β-Amyloids.

Japanische Studie: Plasmalogen gegen Alzheimer und kognitive Störungen

Plasmalogen kann der Körper genau wie Cholesterin nicht nur selbst synthetisieren, sondern auch mit der Nahrung aufnehmen. Das hat die Arbeitsgruppe um Prof. Suminori Kono vom Nationalen Institut für Gesundheit und Ernährung in Tokio dazu veranlaßt, in einer Studie 328 Patienten mit Plasmalogen aus Jakobsmuscheln zu behandeln.

Die Patienten waren 60 bis 85 Jahre alt und litten an leichten kognitiven Störungen oder beginnendem Alzheimer. Zudem hatte man durch entsprechende Untersuchungen sichergestellt, dass bei ihnen weder vaskuläre Demenz noch Altersdepressionen vorlagen, die das Ergebnis verfälschen könnten.

Das Patientenkollektiv untersuchte man vor Studienbeginn mit dem Mini-Mental-Status (MMST) auf kognitive Fähigkeiten und nach der Wechsler-Skala auf ihre Gedächtnisleistung. Ferner maßen die Wissenschaftler die Plasmalogen-Konzentration im Blutserum und in den Zellmembranen der roten Blutkörperchen.

Danach verteilten sie die Patienten nach dem Zufallsprinzip auf eine Behandlungsgruppe und eine Placebogruppe. Die Behandlungsgruppe erhielt täglich ein Milligramm Plasmalogen, die Placebogruppe einen davon nicht unterscheidbaren Ersatz.

Nach 24 Wochen bestimmten die Forscher erneut Kognition und Gedächtnis und überprüften die Plasmalogen-Konzentrationen im Blut.

Das Ergebnis: Plasmalogen verbessert bei mildem Alzheimer das Gedächtnis

Die Studie ergab, dass bei Betrachtung des gesamten Patientenkollektivs in Sachen Gedächtnis und Denkvermögen kein signifikanter Unterschied zwischen Plasmalogen- und Placebo-Gruppe zu verzeichnen war. Anders sah das bei alleiniger Analyse der angehenden Alzheimer-Patienten aus. Hier verbesserte das Plasmalogen die Gedächtnisleistung, wenn auch nur schwach signifikant. Die Signifikanz wuchs, wenn man nur die weiblichen Patienten oder die unter 77 Jahren berücksichtigte. Außerdem lag der Plasmalogen-Wert im Blut der Alzheimer-Patienten unter Behandlung deutlich höher als in der Placebo-Gruppe.

Daraus kann man schließen, dass die orale Verabreichung von Plasmalogen die kognitive Leistungsfähigkeit von Patienten mit leichtem Alzheimer tatsächlich verbessert.

Was bringt die Zukunft?

In den kommenden Jahren wird die Forschung diese positiven Auswirkungen der Plasmalogene weiter untersuchen. Gegebenenfalls muss man Mittel und Wege finden, Plasmalogen in hinreichenden Mengen zu isolieren und in medikamentös verabreichbare Form zu bringen.

Die arme Jakobsmuschel dürfte dafür nicht in Frage kommen, denn ihr delikater Geschmack hat ohnehin schon zu einer starken Abnahme der Bestände geführt. Das Plasmalogen-reiche Gehirn scheidet seit der BSE-Krise ebenfalls aus.

Zu Forschungszwecken verwendet man außer Jakobsmuscheln und Schweinehirn tierisches Herzgewebe zur Plasmalogengewinnung. Bei einem bekannten Chemielieferanten kosten 500 Milligramm Schweineherz-Plasmalogen momentan knapp 2.500 Euro. Eine 1 Milligram-Tagesdosis wie von Prof. Kono verwendet käme somit auf fünf Euro – im Vergleich zu manchen Medikamenten, die ältere Menschen täglich einnehmen, ein echtes Schnäppchen. Eventuellen Mengenrabatt noch nicht eingerechnet.

Hat man eine geeignete Quelle gefunden, sollte eine Herstellung von Kapseln mit dem Wirkstoff kein Problem darstellen. Denn Plasmalogen ist fettlöslich und an Fette gebunden relativ stabil.

Falls das alles nicht funktioniert: Viele ältere Patienten freuen sich sicherlich, wenn es regelmäßig sautierte Jakobsmuscheln als Vorspeise gibt. Auch wenn sich die Krankenkassen voraussichtlich nicht zu einer Kostenübernahme dieser schmackhaften Prophylaxe überreden lassen…

Literatur und Quellen

  1. Fujino T, Yamada T, Asada T, Tsuboi Y, Wakana C, Mawatari S, Kono S.: Efficacy and Blood Plasmalogen Changes by Oral Administration of Plasmalogen in Patients with Mild Alzheimer’s Disease and Mild Cognitive Impairment: A Multicenter, Randomized, Double-blind, Placebo-controlled Trial. 2017 Mar;17:199-205. Link
  2. Wood PL, Mankidy R, Ritchie S, Heath D, Wood JA, Flax J, Goodenowe DB.: Circulating plasmalogen levels and Alzheimer Disease Assessment Scale-Cognitive scores in Alzheimer patients. J Psychiatry Neurosci. 2010 Jan;35(1):59-62. Link
  3. Braverman NE, Moser AB.: Functions of plasmalogen lipids in health and disease. Biochim Biophys Acta. 2012 Sep;1822(9):1442-52. Link
  4. Rothhaar TL, Grösgen S, Haupenthal VJ, Burg VK, Hundsdörfer B, Mett J, Riemenschneider M, Grimm HS, Hartmann T, Grimm MO.: Plasmalogens inhibit APP processing by directly affecting γ-secretase activity in Alzheimer’s disease. 2012;2012:141240. Link