Rotwein gegen Alzheimer

Rotwein hilft gegen Alzheimer? In gewisser Weise schon. Das vor allem in Schale und Kernen roter Weintrauben vorkommende Resveratrol ist als Mittel gegen die Ablagerungen von Beta-Amyloid im Gehirn schon länger in der Diskussion. Allerdings wird es normalerweise im Blut schnell abgebaut. Forscher haben eine Methode gefunden, wie sich das Resveratrol ins Gehirn bringen lässt: Indem man es in Nanopartikel verpackt.

Was ist Resveratrol?

Rote Weintrauben sind lecker und gesund. Letzteres ist unter anderem auf den Gehalt an Resveratrol in Schalen und Kernen zurückzuführen. Dabei handelt es sich um ein Polyphenol, das auch in anderen Früchten wie Pflaumen, Blaubeeren und Himbeeren sowie Erdnüssen und Rhabarber vorkommt.

Unter Stress bilden die Weinreben vermehrt Resveratrol, denn es schützt vor UV-Licht, Bakterien und Pilzinfektionen mit Grauschimmel und Mehltau. Zudem wirkt es als Radikalfänger, das die unter UV-Bestrahlung vermehrt gebildeten schädlichen freien Sauerstoffradikale unschädlich macht.

In frischem weißem Traubensaft liegt die Konzentration von Resveratrol bei bis zu 200 Mikrogramm, bei roten Trauben über einem Milligramm pro Liter. In Rotwein steigt die Konzentration auf bis zu zwölf Milligramm pro Liter und hält ein ganzes Land gesund.

Resveratrol und das „französische Paradoxon“

Als „französisches Paradoxon“ bezeichnet man die Tatsache, dass Franzosen gutem Essen und fettreicher Ernährung nicht abgeneigt sind, aber nur selten an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden. Mittlerweile geht man davon aus, dass sich dieser Widerspruch auf den hohen Konsum an Rotwein zurückführen lässt – und dass das darin enthaltene Resveratrol dafür verantwortlich ist. Doch damit nicht genug, Resveratrol sagt man noch viel mehr gesundheitlichen Nutzen nach.

Resveratrol als Wundermittel?

Resveratrol gilt mittlerweile als wahres Wundermittel für Anti-Aging und gegen eine Vielzahl von Krankheiten. Dazu gehören Krebs, neurologische und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Arteriosklerose, Fettleibigkeit sowie Autoimmunerkrankungen. In den USA boomt der Markt mit Nahrungsergänzungsmitteln, die den Traubenwirkstoff enthalten. Allerdings gibt es bisher keine aussagekräftigen klinischen Studien am Menschen. Die beschriebenen Effekte hat man bisher nur im Reagenzglas, in Zellkulturen und in Tiermodellen beobachtet.

Resveratrol und Alzheimer

Alzheimer zeichnet sich durch vier pathologische Merkmale aus: Ablagerung von fehlgefaltetem Beta-Amyloid außerhalb der Nervenzellen, Ansammlung von hyperphosphoryliertem Tau-Protein im Zellinneren, Rückgang der Gehirnmasse (Hirnatrophie) und chronische Entzündungen des Gehirns. Zudem funktionieren die „Kraftwerke der Zelle“, die Mitochondrien nicht richtig, sodass sich verstärkt Sauerstoffradikale bilden. Zuletzt verkürzen sich die Enden der Chromosomen, die Telomere, ein typisches Anzeichen von Alterung.

All diese molekulare Prozesse lassen sich durch Resveratrol beeinflussen. Daher gilt das Polyphenol als breit wirksame neuroprotektive Substanz. Diese Schutzfunktion ist vor allem auf die Beeinflussung der bei Alzheimer gestörten Homöostase von vier Metallionen zurückzuführen: Kupfer, Eisen, Aluminium und Zink. Störungen im Stoffwechsel dieser Metalle führen zu den Entzündungserscheinungen, Fehlfaltungen und anderen pathologischen Geschehnissen bei Alzheimer. Am bekanntesten ist wohl der Einfluss des Aluminiums, dem man vielfach eine Beteiligung am Entstehen einer Demenz nachsagt.

Resveratrol als Medikament bei Alzheimer: Erste Ergebnisse

Seine neuroprotektive Wirkung hat das Resveratrol schon des Öfteren als Behandlungsmöglichkeit für Alzheimer ins Gespräch gebracht. Bereits 2009 konnten Wissenschaftler der amerikanischen Cornell University in einem speziellen Mausmodell nachweisen, dass das Polyphenol die Ablagerung von Beta-Amyloid verhindert [1]. Dazu verwendeten sie einen Mäusestamm, der durch einen genetischen Defekt bereits in jungem Alter solche Ablagerungen im Gehirn bildet. Interessanterweise änderte das Antioxidans nichts am oxidativen Stress, wie man es eigentlich erwartet hatte. Außerdem zeigte sich, dass nur wenig von dem Resveratrol im Gehirn der Mäuse ankam.

Warum das Resveratrol nicht ins Gehirn gelangt

Woran das liegt, konnten nun Wissenschaftler der Universität von Kuala Lumpur nachweisen [2]. In ihrer Studie stellte sich heraus, dass das Resveratrol bei intravenöser Injektion innerhalb von nur zwei Stunden in Leber und Darmepithelzellen abgebaut wird. Zudem ist es chemisch unbeständig, empfindlich gegen erhöhte Temperaturen und nicht neutrale pH-Werte, UV-Licht und eigentlich wasserunlöslich.

All diese Faktoren machen der Bioverfügbarkeit des Resveratrols einen Strich durch die Rechnung. Für den gedachten Zweck noch schlimmer: Es kann die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden, die das Gehirn nur für ausgewählte Substanzen zugänglich macht.

Eigentlich schade, denn in weiteren Experimenten zeigte sich, dass Resveratrol die Fibrillenbildung von isoliertem ß-Amyloid effektiv verhindert. Daher suchten und fanden die Wissenschaftler einen Ausweg in Form von Nanopartikeln.

Was sind Nanopartikel?

Nanopartikel haben ihren Namen von ihren Ausmaßen – es handelt sich um Ansammlungen von Molekülen, die in der Regel zwischen einem und einigen hundert Nanometern (=1/1.000.000 Millimeter) liegt.

In der Medizin stoßen sie auf zunehmendes Interesse, da sich Arzneimittel darin verpacken lassen. Die Oberfläche lässt sich mit speziellen Molekülen bestücken, die gezielt an Rezeptoren an der Oberfläche bestimmter Zellen binden und daraufhin von diesen aufgenommen werden.

Die Herstellung klingt einfach: Man jagt die Grundsubstanzen durch den Mixer und verkleinert die entstehenden Partikel nochmals durch Ultraschall. Was sich simpel anhört, setzt eine Menge Know-how voraus, um Nanopartikel mit den gewünschten Eigenschaften und mit der richtigen einheitlichen Größe zu erhalten.

Resveratrol in Nanopartikeln

Die malaysischen Forscher stellten solide Lipid-Nanopartikel mit Resveratrol im Inneren her. Damit diese die Blut-Hirn-Schranke überwinden können, versahen sie deren Außenseite mit einem monoklonalen Antikörper gegen den Transferrin-Rezeptor. Denn in Vorexperimenten konnten sie nachweisen, dass die Endothelzellen der Hirngefäße solche Nanopartikel wesentlich effektiver aufnehmen als die im Rest des Körpers.

In ihrem in vitro-Zellkulturmodell der Blut-Hirn-Schranke funktioniert die Aufnahme der neuartigen Nanopartikel ausgezeichnet. Ebenso verhinderten die Nanopartikel in vitro die Fibrillenbildung von Beta-Amyloid. Allesamt gute Voraussetzungen für einen effektiven Einsatz beim Menschen.

Wie sind die Zukunftsaussichten?

Bisher konnte man die Funktionsfähigkeit der Nanopartikel nur im Zellkulturmodell nachweisen. Man darf gespannt sein, wie sie sich in einem Alzheimer-Mausmodell bewähren – und vor allem in menschlichen Patienten. Allerdings dauert es noch eine ganze Weile bis zur Durchführung solcher Studien, von einer klinischen Zulassung ganz zu schweigen.

Bis dahin müssen wir uns mit ein paar Gläsern Rotwein behelfen. Dass diese auf keinen Fall schaden, zeigt schon das „französische Paradoxon“. Vielleicht verhindern sie wirklich Demenz – zusammen mit ein paar Jakobsmuscheln und Erdbeeren. A votre santé!

Artikel

  1. Karuppagounder SS1, Pinto JT, Xu H, Chen HL, Beal MF, Gibson GE: Dietary supplementation with resveratrol reduces plaque pathology in a transgenic model of Alzheimer’s disease. Neurochem Int. 2009 Feb;54(2):111-8.
  2. Syarifah-Noratiqah S, Naina-Mohamed I, Zulfarina MS, Qodriyah HM: Natural Polyphenols in the Treatment of Alzheimer’s Disease. Curr Drug Targets. 2017 Mar 28. [Epub ahead of print].

Quellen und weiterführende Literatur

  1. Carter LG, D’Orazio JA, Pearson KJ: Resveratrol and cancer: focus on in vivo evidence. Endocr Relat Cancer. 2014 May 6;21(3):R209-25.
  2. Ma T, Tan MS, Yu JT, Tan L: Resveratrol as a therapeutic agent for Alzheimer’s disease. Biomed Res Int. 2014;2014:350516.
  3. Park EJ, Pezzuto JM: The pharmacology of resveratrol in animals and humans. Biochim Biophys Acta. 2015 Jun;1852(6):1071-113
  4. Rege SD, Geetha T, Griffin GD, Broderick TL, Babu JR: Neuroprotective effects of resveratrol in Alzheimer disease pathology. Front Aging Neurosci. 2014 Sep 11;6:218.
  5. Pasinetti GM, Wang J, Ho L, Zhao W, Dubner L: Roles of resveratrol and other grape-derived polyphenols in Alzheimer’s disease prevention and treatment. Biochim Biophys Acta. 2015 Jun;1852(6):1202-8.
  6. Granzotto A, Zatta P: Resveratrol and Alzheimer’s disease: message in a bottle on red wine and cognition. Front Aging Neurosci. 2014 May 14;6:95.